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AutorenbildIris Rozwora

Das zuckersüße Z

Da standen sie mal wieder, Zimt und Zahn, und zankten sich mitten im Zauberwald. Würden wir nicht wissen, dass die zwei zornigen Zwerge Zwillinge sind, würden wir sie für Erzfeinde halten. Während Zimt seine zwölf Zöpfe zurückwarf und sich wieder in seinem zitronenfarbenen Zelt verkroch, rückte Z seinen Zylinder gerade und stiefelte zackig über die Zugbrücke davon.

Seit ihrer Zwergengeburt hatte es zwischen den beiden Streit gegeben, deswegen verstanden sie sich am besten, wenn sie sich nicht sahen. Das klappte im Regelfall sehr gut. Aber seit Zimt in der Nähe des Zoos seine Zuckerbäckerei aufgemacht hatte, störte er Zahn auch aus der Ferne. Zahn war nämlich Zahnarzt und hatte plötzlich so viel zu tun, dass keine Zeit mehr blieb, um in der Zahnarztpraxis die Zeitung zu lesen. All seine Patienten erzählten ihm von den zauberhaften Zwiebel-Zimt-Bonbons oder den zuckersüßen Zucchini-Zitronen-Lollis, die sie seit neuestem aßen, und wunderten sich dann, warum ihre Zähne nun plötzlich so unglaublich wehtaten. Immer wieder sagte er seinen Patienten, sie sollten lieber einen großen Bogen um die Zuckerbäckerei machen, und schon würde es ihren Zähnen besser gehen. Doch der himmlische Duft, der aus Zimts Geschäft strömte, machte ein Vorbeigehen völlig unmöglich.


Als Zimt von seinen treuesten Kunden, dem zweiköpfigen Zyklon und dem zahmen Zombie, erfuhr, dass Zahn allen im Zauberwald erzählte, lieber nicht in die Zuckerbäckerei zu kommen, wurde Zimt so richtig zickig. All seinen Kunden gab er den Hinweis, bloß nicht zum Zahnarzt zu gehen, da dieser ihren Zähnen erst so richtig wehtun würde. Um die fabelhaften Wesen des Zauberwaldes in seine Zuckerbäckerei zu locken, überlegte sich Zimt immer verführerischere Rezepte. Ein Riesenkracher war die Zwetschgen-Zaziki-Schokolade. Doch so sehr er es auch versuchte zu ignorieren, so bemerkte er doch, dass nahezu alle seine Kunden mit Zahnschmerzen kämpften. Immer weniger Tiere aus dem nahegelegenen Zoo kamen in ihrer Pause bei ihm vorbei. Und so wurden seine regelmäßigen Kunden immer weniger, bis nur noch einer blieb. Der Zottelbär kam täglich zweimal in die Zuckerbäckerei, aber seine Zähne schien das so gar nicht zu stören. Er fragte den Zottelbär, was sein Geheimnis war, doch dieser antwortete ihm nur zufrieden: „Zottelbären haben keine Geheimnisse.“ und stapfte mit einem Maul voller Zuckerwaren davon.

Das ließ Zimt einfach keine Ruhe. Es musste ein Geheimnis geben, warum der Zottelbär so viele Bonbons essen konnte, ohne Zahnweh zu bekommen. Jetzt steckte Zimt in einer echten Zwickmühle: Entweder er machte weiter wie bisher und würde bald seine Zuckerbäckerei schließen müssen und könnte dann nicht mehr machen, was er liebt, oder er würde Zahn um Rat fragen müssen. Auch wenn er es ungern zugab, aber Zahn wusste so ziemlich alles, was es über Zähne zu wissen gab. Vielleicht würde er wissen, warum der Zottelbär nie Zahnweh bekam.


Zimt schrieb seinem Zwillingsbruder ein paar Zeilen, um sich mit ihm am Zaun des Zebrageheges zu verabreden, zur Zeit, da die Sonne am höchsten über dem Zebrarücken steht. Der Zuckerbäcker war sich nicht sicher, ob Zahn wirklich kommen würde, doch er musste es einfach probieren, um seine Zuckerbäckerei zu retten. Zum Glück war Zahn ähnlich verzweifelt wie Zimt, wenn auch aus einem völlig anderen Grund, denn ihm rannten im Moment die Leute die Praxis ein und er hatte einfach keine Zeit mehr für nichts. Da musste etwas passieren.


Zahn war zur Überraschung beider Brüder pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt am Zebragehege und hörte seinem Zwillingsbruder so genau zu wie lange nicht mehr. Ständig machte er „hmmmm“ und „ahhhh“, während er zuhörte. Tatsächlich ergab der Bericht von Zimt Sinn für ihn, und er hatte eine Idee, was das Geheimnis sein könnte. Um sicherzugehen, würde er allerdings gerne mit Zimt zusammen den Zottelbär nach einem Besuch in der Zuckerbäckerei folgen, um zu sehen, ob seine Vermutung tatsächlich zutraf. Da der Zottelbär jeden Morgen um zehn seine Ration Bonbons abholte, versteckte sich Zahn hinter einer Zwergzypresse beim Zoo und folgte dem Zottelbär, nachdem er die Zuckerbäckerei verlassen hatte. Sobald Zimt die Ladentür geschlossen hatte, lief er zu Zahn und zusammen folgten sie dem Schleckermaul. Er lief in Richtung des Birkenwäldchens.


Doch es kam fast zu einem Zusammenstoß mit Ritter Radau, der im Kinderwagen seine kleine Rapunzel herumfuhr und plötzlich stehen geblieben war. Sie ließen sich gerade vom Zauberer ein paar Tricks vorführen und versperrten so den gesamten Fußweg. Zimt und Zahn wollten ja auf keinen Fall unhöflich sein, aber jetzt war eigentlich nicht der Moment für einen gemütlichen Plausch. Zum Glück hatte Zahn seinen Mundspiegel mit und konnte ihn unter dem Umhang des Zauberers hindurchschieben und so den Zottelbär im Auge behalten. Dieser suchte sich eine dicke Birke aus und setzte sich in den Schatten ihrer Äste, um seinen Vorrat an Zucchini-Zitronen-Lollis, Zwetschgen-Zaziki-Schokolade und natürlich Zwiebel-Zimt-Bonbons zu vertilgen. Das verschaffte den Zwillingen etwas Zeit, um dem Zauberer zuzujubeln und sich dann fix aus dem Staub zu machen, denn wenn sie noch einen Tag vertrödelten, dann hätten alle nur noch länger Zahnweh.

Als der Zottelbär alles aufgegessen hatte, zupfte er sich einen Wekleinen Zweig der Birke ab und kaute zufrieden darauf herum, bis er einschlief. Das war also das Geheimnis! Es war genau wie Zahn es vermutet hatte. Er hatte einmal vor zig Jahren zufällig gelesen, dass es in den Ästen der Birke einen Saft gibt, der Birkenzucker heißt und sehr gut für die Zähne ist, weil er sie vor Karies schützt. Da Zahn lieber Zapfen als Zucker aß, hatte er dies ganz vergessen! Aber durch das Herumkauen auf dem Birkenast kam der Birkenzucker aus dem Holz heraus und die kleinen Holzfasern, die beim Zerkauen entstehen, waren wie ein kleiner Besen für die Zähne des Zottelbär. Zahn war begeistert. Er schlug Zimt folgenden Vorschlag vor:

„Jeder Kunde in der Zuckerbäckerei erhält beim Kauf einen kleinen Birkenzweig zum Drauf herrumkauen nach den Leckereien und im Gegenzug sage ich keinem mehr, dass er nicht in deiner Zuckerbäckerei vorbeikommen soll. Abgemacht?“

Zimt musste nicht lange überlegen: „Klar, abgemacht!“


Kurze Zeit später konnte Zahn in seiner Zahnarztpraxis endlich wieder Zeitung lesen und Zimt sich wieder über viel Kundschaft freuen. Außerdem treffen sich die zwei Zwillingszwerge regelmäßig im Zoo, um sich darüber zu unterhalten, ob ihr Plan auch funktionierte. Selbst Jahre nach der Einführung der Birkenästchen in der Zuckerbäckerei taten sie dies noch immer, und niemand dachte mehr an all die Zankerei von früher.


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